Der Sonntag
vom 26.11.2000
www.der-sonntag.de
Tipps aus dem gedruckten Netz
Die "gelben Seiten" für das deutsche Internet erscheinen in der vierten Auflage
Erstaunlich: Das Adressverzeichnis für das derzeit angesagteste und wahrscheinlich auch modernste Medium der Welt, erscheint in Form des ältesten Mediums: "Das Web-Adressbuch für Deutschland" heißt nicht umsonst: Es ist ein echtes Buch aus Papier.
Es mag widersinnig erscheinen: Um das schnelle Informationssystem Internet zu benutzen, soll man zuerst mal in einem altmodischen, langsamen Buch blättern? Internet-Profis werden schaudern.
Tatsächlich werden Netz-Freaks, die Suchmaschinen wie Altavista oder Fireball mit geschlossenen Augen bedienen und auch kompliziert gestaltete Suchanfragen starten können, dieses Buch wahrscheinlich nicht brauchen. Wer seit Jahren das Internet nutzt, hat eine Fülle von Adressen schon im Kopf, andere in seinen Bookmarks, und für alles weitere gibt`s eben die Suchmaschinen. Zudem ändert sich der Inhalt des Internets mit jeder Sekunde. Wie soll ein Buch, das nur hin- und wieder erscheint, aktuell bleiben?
Alles richtig – und trotzdem hat das Adressbuch seine Daseinsberechtigung. Erstens gibt es nicht nur Internet-Profis, sondern auch weniger versierte User. Und für die sind "die 6.000 wichtigsten deutschen Internetadressen" nach den Kriterien Nützlichkeit und Aktualität ausgesucht worden. Und nach Nützlichkeit hat noch keine Suchmaschine der Welt gefragt, weswegen viele Treffer von Altavista und Co. blanken Unsinn enthalten. Weiterhin sind die Links im Buch kommentiert.
Schon vor dem einwählen kann man beurteilen, ob eine Adresse nützlich ist, oder nicht. Das kann Geld und Zeit sparen.
Außerdem: Im Internet findet man nur, wonach man sucht. Die vielen kleinen Dinge im Netz jedoch, an deren Existenz man nie gedacht hatte, finden sich nur beim gemütlichen Blättern durch das Buch.
Ansonsten ist das Verzeichnis in etwa so geordnet, wie man es von den traditionellen "Gelben Seiten" kennt. Gesucht werden kann nach Stichworten von "Adoption" bis "Zivildienst", oder nach Bereichen, zum Beispiel " Geld und Finanzen", "Medien", "Reise", oder "Behörden". An das Inhaltsverzeichnis schließt sich ein Verzeichnis der Verzeichnisse an: Hier finden sich Adressen für Kinoprogramme, Kalorientabellen, Fahrplanauskünfte oder Nationalhymnen. Und wer trotzdem nicht findet, was er sucht, findet zumindest irgendetwas interessantes, was er nie gesucht hätte.
Mit seinem lackierten Papier und der etwas edlen Aufmachung gewinnt das Adressbuch sicher keinen Preis in Punkto Ökobilanz. Aber es ist schwer, liegt gut in der Hand und vermittelt einem das Gefühl, die Web-Bibel schlechthin zu besitzen. Und was für das Buch der Bücher gilt, kann auch das Web-Adressbuch für sich beanspruchen: Es ist derzeit das einzige und damit beste seiner Art. Zumindest in Deutschland.