Berliner Zeitung
vom 12.10.2011
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Wegweisend
Seitdem die Telefonbücher ausgestorben sind, fehlt doch ständig irgendwo ein dickes Buch. Doch Rettung naht: Auf das "Web-Adressbuch für Deutschland" könnte alternativ sehr gut der Fernseher gestellt werden.
"Internetausdrucker“ ist eine meiner Lieblingsschmähungen für jene Menschen, die sich Online-Artikel inklusive Seitenkopf und Werbebanner und AGB ausdrucken. Oder E-Mails, um sie Kollegen ins Postfach zu legen. So retten wir den Regenwald nie, Freunde! Ob ich das „Web-Adressbuch für Deutschland“ kenne, fragte mich kürzlich eine Anruferin. Potzblitz, rief ich aus, alle Adressen in einem Buch – das hat uns noch gefehlt! Seitdem Telefonbücher ausgestorben sind, fehlt doch ständig irgendwo ein dickes Buch, etwa um den Fernseher draufzustellen.
Ich übertreibe. Ich erklärte der Anruferin, dass mich das Buch nicht interessiere. Sie erklärte mir, die Adressen seien von einer Redaktion getestet, darunter seien viele Geheimtipps, die man über Google kaum finde. Ich gähnte. Die Frau sagte, ihr Buch sei ein Bestseller und erscheine in der 15. Auflage. Ich sagte, sie könne mir ja die geheimsten Tipps anstreichen und das Buch schicken. Dann fuhr ich zum Segeln.
Ich war vorher nie auf einem großen Segelboot. Man navigiert wohl mit irgendeinem GPS-Gerät, dachte ich. Es gab tatsächlich eines, nur war es umständlich. Praktischer war die Navigations-App für das iPhone mit vorgeladenen Karten. Allerdings muss man auf einem Segelschiff Strom sparen. Wir steuerten das Schiff also mit dem iPhone, griffen aber häufiger zu einem gedruckten Küstenführer, einer Ausgabe der Zeitschrift Yacht und Seekarten.
So versöhnt mit analogen Hilfsmitteln kehrte ich nach Berlin zurück und fand auf meinem Schreibtisch: das „Web-Adressbuch“. Die Anruferin hatte zum Beispiel den Artikel zu tvbookmark.de markiert, eine Übersicht über alle deutschsprachigen TV-Inhalte im Netz. Oder auch washabich.de, eine Seite, der man Arzt-Befunde mailen kann, Medizinstudenten übersetzen das kostenlos in verständliche Sprache. Und bei flip4new.de kann man gebrauchte Elektronikgeräte in Zahlung geben … Ach, es hat schon Spaß gemacht, im Web-Adressbuch zu stöbern. Ob es wirklich hilfreich ist? Schwer zu sagen. Ich habe weder einen Fernseher noch eine Stereoanlage, und mir fällt gerade auch sonst nichts ein, was ich da draufstellen könnte.