Neue Westfälische
vom 14.03.2017
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Ein Google-Konkurrent auf Papier: Wie sinnvoll ist das Web-Adressbuch?
Bielefeld. Das „Web-Adressbuch für Deutschland" soll dem Leser die wichtigsten Internet-Adressen auf einen Blick präsentieren. Die Vorauswahl beträgt 5.000 Seiten aus verschiedenen Bereichen: Essen, Bildung Sport und noch viel mehr. Lohnt es sich, fast 20 Euro dafür zu bezahlen oder ist es im Zeitalter der Suchmaschinen eher überflüssig?
Ein Web-Adressbuch. Das ist für mich ein Oxymoron. Mein erster Gedanke, als ich das Buch sehe, ist: „Jemand hat das Internet ausgedruckt und verlangt Geld für!" Das Cover sieht arg nach 90-er aus, viel zu viel Text, viel zu grell. Und ich habe Angst, dieses Werk aufzuschlagen. Wer weiß, was mich da erwartet?
Ich reiße die Plastikverpackung auf und mache das Buch neugierig auf. Ein Geruch frisch gedruckten Papiers steigt mir in die Nase. Ich blättere durch. Es ist leichter als gedacht, wenn man bedenkt, dass ganze 5.000 Internetseiten drin stehen sollen. Kein Foliant also, aber auch kein Taschenbuch. Kann man zur Not auch mitnehmen, wenn man unterwegs ganz spontan nach einem Onlineshop suchen möchte. Das glänzende Papier lässt sich leicht umblättern, haptisch ist die Lektüre schon mal angenehm.
Design und Layout:
Die 20. Auflage des Adress-Buchs kommt in einem satten Gelb daher. Im Inneren verbirgt sich eine Übersicht der einzelnen Rubriken und auf welcher Seite diese zu finden sind. Die Seiten sind farbig bedruckt und bieten neben den wichtigsten Informationen auch Screenshots von einzelnen Blogs und Onlineshops.
Ein wenig störend empfinde ich den Wirrwarr an verschiedenen Schriftarten. Manchmal ist es eine serifenlose Schrift, manchmal eine mit Serifen. Auch das viele Fetten hätte man aus meiner Sicht anders lösen können, zum Beispiel durch Farbe oder Schriftgröße. Aber da spielt wohl einerseits meine persönliche Vorliebe und andererseits ein bisschen die Berufskrankheit mit rein.
Inhalt:
Schon auf dem Cover steht eine Empfehlung: „Die besten Geheimtipps aus dem Internet." Sagt die Frauen-Zeitschrift Brigitte. Und wenn die Brigitte-Redaktion das sagt, dann muss es doch stimmen, möchte man meinen. Auf Anhieb kann ich aber keine Geheimtipps entdecken. Im Ressort „Einkaufen" stehen Online-Versandhäuser aufgelistet: Amazon, Otto, Quelle, Tchibo... alles bekannt. Eine Überraschung erwartet mich unter „Internet & Technik" im Abschnitt „Internet-Communitys": Eine der 5.000 besten Seiten im Netz soll ausgerechnet meinVZ sein? Vielleicht, wenn man ein bisschen Ruhe im WWW braucht, denn dort hat es sich schon lange ausgegruschelt.
Ein wenig enttäuscht blättere ich weiter. Als Digital Native aus der Generation Y kenne ich vielleicht schon so viele Seiten, auch wenn zum Teil nur vom Hörensagen, dass ich dieses Buch gar nicht benötige? Mein Blick stolpert über den Bereich „Lebensmittel". Gewürze, Backzubehör, Feinkost. Im Abschnitt der Fleischwaren werde ich fündig: Die Seite „Meine Mettwurst" (meine-mettwurst.de) kannte ich noch nicht. Dort gibt es sogar einen Wurst-Konfigurator, mit dem man über sieben Millionen Mettwurst-Möglichkeiten zusammenstellen kann. Verrückte Internet-Welt. Danach hätte ich im Leben nicht gesucht.
Ein paar spannende Entdeckungen mache ich dann aber tatsächlich: Im Bereich der Foodblogs stoße ich auf einige Blogs, die ich bisher nicht kannte. Ein paar werden sogar in kompakten Interviews vorgestellt: „Herzfutter" und „Das Leben ist süß" speichere ich direkt in meinen Lesezeichen. Hier wird die persönliche Note des Buchs deutlich – jemand hat sich Mühe gemacht, diese Interviews zu führen, und dafür bin ich dankbar.
Das Web-Adressbuch präsentiert nach eigenen Angaben die besten und wichtigsten deutschsprachigen Internet-Adressen auf einen Blick.
Fazit:
Das Web-Adressbuch ist eine ausführliche Zusammenfassung für Menschen, die mit dem Internet bisher recht wenig Berührungspunkte hatten. Wer wie ich mit dem Internet groß geworden ist, wird auf Anhieb kaum Neues finden. Der Vorteil des Buchs ist sicherlich, dass die einzelnen Ressorts eine gute Übersicht bieten. Aber ich persönlich werde über eine Suchmaschine schneller fündig. Und für knapp 20 Euro finde ich persönlich auch eine bessere Verwendung.